Koesslers Vita

von Josef Brunner, Waldeck

frühe Jahre (1865-1881)

Bereits in jungen Jahren zeigte sich bei dem begabten Kind die Liebe zur Musik, als er seinen Vater häufig in seinen Aufgaben als Mesner, Gemeindeschreiber und Organist vertrat. Im Kirchenchor sang er im Knabenalter die Altstimme mit.

1865      Er besuchte die Mittelschule in Weiden, anschließend das Schullehrerseminar in Eichstätt, wo er sich zum „Seminar-Organisten“ entwickelte.

1871      Koessler wurde Stadtpfarrorganist in Neumarkt, Oberpfalz.

1874      In München hörte Koessler zum ersten Male eine Oper, die „Zauberflöte“, tags darauf „Tristan und Isolde“. Er berichtet in seiner Autobiographie: nach Beethovens c-moll-Symphonie „durchrieselte ein geheimnisvoller Schauer meinen ganzen Körper“. Dabei verspürte er, nach seinen eigenen Worten, den „Zwang“, Musiker zu werden

1874      Im „Specialfach Orgel und Kontrapunkt“ wurde Prof. Gabriel Rheinberger an der Königlichen Musikschule in München sein Lehrer, im Chorfach Prof. Franz Wüllner. Dessen Schrift mit Verbesserungsvorschlägen in frühen Autographen und ein umfänglicher Briefkontakt bezeugen die enge und lange Verbundenheit Koesslers mit Wüllner.

1877      Ihm verdankte er auch seine Berufung als Hofkapellmeister nach Dresden. Von der dortigen „Liedertafel“ wurde er zum „Liedermeister“ gewählt.

1881      Beim internationalen Chorsingen in Köln am Rhein errang er mit der Dresdener Liedertafel den deutschen und auch den internationalen Preis. Aufgrund dessen wurde er an die Stelle des Theaterkapellmeisters nach Köln berufen, fühlte sich jedoch dort nicht wohl: „Bisher gewohnt, alles was ich ausführte, auf das gewissenhafteste und feinste auszufeilen, war mir die robuste Art, Opern aufzuführen, eine künstlerische Qual, und ich begrüßte es freudig, daß ich auf Empfehlung Dr. Wüllners, der mir ein väterlicher Freund war und blieb, einen Ruf von der Direktion der Kgl. Landes-Musikakademie in Budapest erhielt, deren Präsident damals Dr. Franz Liszt war, um den Unterricht an der Orgel und im Chorgesang dort einzuführen.“

Koesslers Zeit an der Königlichen (Franz Liszt) Musikakademie Budapest (1882-1908 und 1920-1925)

1882      Koessler  folgt dem Ruf an die von Franz Liszt gegründete Königliche Musikakademie Budapest und wirkt dort  zunächst als Professor für Orgel und Chorgesang.

1883      Nach Robert Volkmanns Tod wurde er dessen Nachfolger und übernahm auch dessen Unterricht. Zusätzlich zu seinen beiden anderen Fächern war er nun auch Professor im Fach Komposition („Contrapunkt“). Dass er diese neue Funktion bereits nach einem Jahr übertragen bekam zeugt vom großen Vertrauen in sein Können.

1884      Als Lehrer der Musikakademie mit den meisten Unterrichtsstunden wurde er  auch der bestbezahlte Dozent und verdiente mit einem Salär von 3200 Forint/Gulden mehr als der Direktor! Er sollte in der Folge eine ganze Komponistengeneration Ungarns entscheidend mit prägen.

1888      „Zum Namensfeste Ihrer Majestät, der Kaiserin und Königin Elisabeth, zur ausschließlichen Aufführung in Gödöllő“ komponiert Koessler am 14. Oktober 1888 sein Werk für Männerchor „Salvum fac regem“. Der Namenstag der „Kaiserin Sissi“ ist der  17. November (Elisabeth von Thüringen).

1889      Der Wiener Tonkünstler-Verein kürte Koesslers 16-stimmigen 46. Psalm – welcher ohne sein Wissen von einem Freund zu einem Wettbewerb eingereicht worden war – mit dem ersten Preis. Johannes Brahms unterschrieb als Ehrenpräsident des Vereins zusammen mit dem Präsidenten Jakob Moritz Grün den Brief an Koessler mit der entsprechenden Mitteilung. 

1897      Eine enge professionelle und auch persönliche Freundschaft verband seit dieser Zeit Koessler mit Brahms. Seinen musikalischen Ausdruck fand diese Freundschaft seitens Koesslers in seiner Tondichtung „Sylvesterglocken, ein weltliches Requiem“, welches im Todesjahr Brahms‘ entstand und vermutlich auch durch dessen erkennbar nahenden Tod angeregt wurde: ein Werk für vier Gesangssolisten, vier- bis sechsstimmigem Chor und großes Sinfonieorchester. Zur Aufführung des Werkes am 03.02. 2008 in der Hamburger Laeiszhalle schrieb Dirigent Bruno de Greeve ins Programmheft:

„Brahms hätte es schreiben können, vielleicht auch müssen, hat es aber nicht gemacht!“

Koessler hat es für ihn getan!

1898      Koessler wurde geehrt mit dem Ritterkreuz des Franz-Josef-Ordens.

1901      In den „Symphonischen Variationen für großes Orchester“ – die er den „Manen [Totengeistern] Brahms‘ “ widmete, verarbeitete er den Tod seines großen Freundes (†1897) und ehrte ihn mit einem weiteren Werk.

1908      Die Verleihung des Ordens der Eisernen Krone III. Klasse, verbunden mit der Erhebung in den persönlichen Adelsstand (Hans von Koessler), brachte den Dank des Landes an ihn für seine Verdienste zum Ausdruck: er formte die Generation von Musikern Ungarns, welche es zu internationalem Renommee brachten, entscheidend mit.

1908      Koessler ging – nach 26 Jahren an der Musikakademie – das erste Mal in Pension. Nach der langen Zeit in der Fremde wollte er sein eigenes Land auf umfangreichen Wanderungen kennen lernen. Als großer Naturfreund suchte er sich im Sommer immer schön gelegene Orte aus, wie Wunsiedel, Coburg, Potsdam und verschiedentlich auch seinen Heimatort Waldeck. Im Winter weilte er gerne in den großen Städten, besonders in Berlin. Junggeselle geblieben, lebte er wie ein Student, auch ohne festen Lebensmittelpunkt. Das brachte es mit sich, dass er seine immer zahlreicher werdenden Kompositionen nicht mehr bei sich behalten konnte.

Während des ersten Weltkrieges ergriff der allgemeine Patriotismus auch Hans von Koessler, der sich an die Komposition von vaterländischen Chorwerken machte, die allerdings nach Kriegsende nicht zur Stimmung der damaligen Zeit passten und nicht mehr aufgeführt wurden.

1918      Die kommunistische Regierung strich ihm nach dem Ende der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn seine Pensionsbezüge und er verlor nahezu sein gesamtes Vermögen (44.000 Goldkronen!) Nun lebte er unter sehr armen Verhältnissen bei der Familie Dürr in einem bescheidenen Zimmer im Gasthof „Zum Goldenen Lamm“ in Ansbach.

1920      Der Ruf der Musikakademie Budapest verschlechterte sich und so wurde der Wunsch an Koessler herangetragen, nach Budapest zurückzukehren. Es begann seine 2. Amtsperiode als Professor für Komposition an der Akademie. Er komponierte dort den Großteil seiner mehr als 170 Kompositionen: u. a. eine Oper, Orchesterwerke und Konzerte, Vokalmusik mit Orchester bzw. Klavier, Klaviermusik, Werke für gemischten, Frauen- und Männerchor begleitet oder a capella. Würde man alle seine Werke aus seinen Sammlungen für Lieder, Kanons etc. zählen, so käme man auf eine Summe von ca. 600 Einzelwerken (!).

1925      Koessler ging zum 2. Male in Pensiondiesmal endgültig – und lebte nun wieder in Ansbach.

Krankheit und Tod (1925/26)

1926      Auf Anfrage von Oberdirektor Hubay (Musikakademie Budapest) berichtete Regierungsrat Dr. Vocke diesem in einem Brief von Koesslers letzter Lebenszeit. Koesslers eigener Neffe, Dr. Bogner, stellte eine fortgeschrittene Arterienverkalkung in dessen rechtem Fuß fest. Nach übereinstimmender Meinung von fünf Ärzten wurde Koessler dazu geraten, einer Amputation des Beines über dem Knie zuzustimmen, mit der Aussicht, sein Leben dadurch verlängern zu können. Koessler knüpfte seine Zustimmung zur Operation an seinen einzigen Wunsch an den ausführenden Chirurgen, Dr. Lunckenbein: er möge ihm noch zwei Jahre schenken, damit er seinen künstlerischen Nachlass ordnen könne. Der Chirurg versprach ihm, zur Erfüllung des Wunsches sogar als Kopist dienlich zu sein, konnte sein Versprechen allerdings nicht einlösen.

1926      23. Mai  (Pfingstsamstag), 4 Uhr; Der Rest seines Bewusstseins, so Dr. Vocke, war nur noch von der Musik beherrscht und noch in seiner Todesstunde nannte Koessler den Namen Brahms. Er verstarb an den Folgen der Operation. Dr. Vocke schrieb zum Anblick, den Koessler kurz nach dem eingetretenen Tod vermittelte:

„Unvergleichlich schön war das Bild, das der Tote bot. In blühender Fülle, ohne eine Spur des überstandenen Leidens, wie träumend von ewigen Melodien, lag sein Haupt auf dem Kissen.“

Nach seinem Tod wurde Hans von Koessler auf dem Heilig-Kreuz-Friedhof in Ansbach beigesetzt.

Am 8. und am 9. Dezember gab die nun nach ihrem Gründer umbenannte Franz-Liszt-Musikakademie (ungarisch Liszt Ferenc Zeneművészeti Egyetem) zwei Konzerte nur mit Koesslers Musik zu Ehren eines ihrer größten Meister.

Koesslers Grab wurde, zwischenzeitlich ebenfalls in Vergessenheit geraten und aufgelassen, 1983 wiederentdeckt, restauriert und kann heute wieder besichtigt werden.

Bilder

In Memoriam Hans Koessler: Bilder auf der Facebook-Seite von Cantabile Regensburg

Medien

Hans Koesser (Chorwerke) – Cantabile Regensburg

Trio-Suite für Violine, Viola und Klavier sowie Klavierquintett F-Dur (2005): 

https://www.prestomusic.com/classical/products/7973898–koessler-moor-chamber-music

Kammergesänge für Sopran, Oboe, Horn, Streichquartett sowie Allerseelenelegie für Orgel und Oboe (2017):

https://www.jpc.de/jpcng/classic/detail/-/art/kammergesaenge/hnum/7237953

Messe für Frauenchor und obligate Orgelbegleitung (2014):

https://www.carus-verlag.com/chor/geistliche-chormusik/johann-michael-haydn-hans-koessler-messen-fuer-frauenchor.html

Quellenangabe

  • Greeve, Bruno de (2008). Programmheft zur Aufführung von Koesslers „Sylvesterglocken“. https://www.unimusik.uni-hamburg.de/ueber-unimusik/historie/programmhefte1998-2012/downloads/programmheft-2008-1.pdf. Aufruf: 16.04.2019
  • Gádor, Ágnes (1992). Hans Koessler tanári működése a Zeneakadémián (1882-1908 és 1920-1925) = Hans Koesslers Lehrtägigkeit an der Musikakademie (1882-1908 und 1920-1925), in: Fejezetek a Zeneakadémia Történetéből = Kapitel aus der Geschichte der Musikakademie, Bd. 4, S. 69-124. Liszt Ferenc Zeneművészeti Főiskola = Franz Liszt Musikhochschule, Budapest. Herzlicher Dank an László Peter für die Übersetzung!
  • Hasse, Karl (1921). Max Reger, S. 78f. Leipzig: C. F. W. Siegel.
  • Koessler, Hans von (zwischen 1920 und 1925)/Knott, Peter (2001). Kurze Autobiographie des Waldecker Komponisten Hans von Koeßler, in: Heimat – Landkreis Tirschenreuth, Bd. 13, S. 70-77. Verlag der Buchhandlung Eckhard Bodner, Pressath.
  • Otto, Eberhard (1987). Hans Koessler, in: Oberpfälzer Heimat, Bd. 31, S. 151-160. Verlag Knauf, Weiden.
  • Reger, Anton (1981). Ein wenig bekannter Oberpfälzer Musiker, verwandt mit Reger, in: Die Oberpfalz. 69. Jahrg., Heft 6, S. 167f. Kallmünz: Michael Laßleben Verlag.
  • Sárosi-Szabó Márta (2013). Hans Koessler munkássága és tanári tevékenységének hatása a 20. századi magyar zenére = The life-work of Hans Koessler and the influence of his teaching activity on 20th century Hungarian music. Dissertation, University of Jyväskylä. http://urn.fi/URN:ISBN:978-951-39-5229-7. Zugriff am 16.04.2019.
  • Schricker, Gunda (2012). Hans von Koessler: ein Komponist wiederentdeckt. 64 S. Ansbach: Selbstverlag.
  • Staudigl, Franz Xaver (1985). Ins Wirtshaus ein Denkmal… Ein Beitrag zur Musikgeschichte der Oberpfalz, in: Die Oberpfalz. 73. Jahrg., Heft 10, S. 305-307. Kallmünz: Michael Laßleben Verlag.